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Der Nasen- und Sperrriemen

Für jeden Reiter und jede Reiterin ist das Wohl des Pferdes von größter Bedeutung. Viele beginnen mit dem Reitsport aus einer Faszination und Liebe zu diesen Tieren. Allerdings wird im professionellen Turniersport das Tierwohl oft dem Erfolg untergeordnet.

Ob sich Reiter der Tragweite ihrer Vorbildfunktion bewusst sind, bleibt ungewiss.


Die Bedeutung des Tierwohls zeigt sich schon bei der Auswahl und Anwendung des Equipments. Kritische Stimmen zur Verschnallung von Reithalftern, insbesondere den englisch kombinierten, werden zunehmend lauter.

Das Argument "Das war schon immer so" verliert an Gewicht und wird vermehrt in Frage gestellt.


Die Diskussion um die Verschnallung von Reithalftern ist nicht neu; schon 2017 berichtete die Fachzeitschrift CAVALLO über eigene Messungen an Nasenriemen und die Ergebnisse einer australischen Studie der ISES (International Society of Exposure Science).


Sehen wir uns einmal die Anatomie eines Pferdekopfes an:


Das Nasenbein ist zur Seite und nach unten geöffnet und mit empfindlichen Weichteilen abgedeckt, somit kann die Luft durch die Nase fließen. Dieser ganze Bereich ist mit feinen Adern und Nerven durchzogen, die mit dem restlichen Pferdekörper verbunden sind. Das Pferd kann nur durch die Nase atmen!

Wenn wir einen Blick auf das Maul werfen, sehen wir, dass es nicht mit der Maulspalte abschließt und das Kiefergelenk zum Öffnen und Schließen des Mauls fast unter dem Genick liegt.


Sinn oder Unsinn von Nasen- und Sperrriemen

Ein kurzer Exkurs zur Entstehung der kritisierten Bestandteile des Reithalfters.

Der Nasenriemen wurde bereits vor langer Zeit verwendet, um Pferde zu zähmen. Menschen erkannten schnell die Sensibilität des Nasen- und Maulbereichs bei Pferden und machten sich dies zunutze.

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich viele Variationen, von Nasenriemen mit Stacheln an der Innenseite, die glücklicherweise nicht mehr verwendet werden, über Kappzäume, direkt mit dem Gebiss verbundene Nasenriemen, Hannoveranische Reithalfter mit Nasenriemen, die vor dem Gebiss liegen und das Maul verschließen, bis hin zu Englisch kombinierten Reithalftern, die den Sperrriemen mit einer Schlaufe am Nasenriemen befestigen, sowie Nasenriemen, die mehr oder weniger zu dekorativen Zwecken dienen und viele weitere Variationen.

Der Zweck und der erhoffte Nutzen des Nasenriemens haben sich im Laufe der Zeit ebenfalls verändert. Er sollte das Gebiss in einer geraden Position halten, die Kraft der Zügel auffangen oder das Öffnen des Pferdemauls einschränken bzw. verhindern.

Letzteres ist auch der heutige „Nutzen“ des Sperrriemens, wenn man es so bezeichnen möchte. Früher wurde er in der Pferde- und Reiterausbildung hinter dem Gebiss angebracht, um die Einwirkung der Zügel auf die Maulwinkel zu dämpfen. Diese Art der Verschnallung ist heute jedoch sehr selten zu sehen.


Leider beobachtet man in vielen Reitställen und insbesondere auf Turnieren allzu oft übermäßig eng gezogene Nasen-und Sperrriemen. Es existieren jedoch klare Vorschriften für das Verschnallen, die jeder Reiter und jede Reiterin im ersten Band der „Richtlinien für Reiten und Fahren“ sowie im "LPO-Ausrüstungskatalog" der FN nachlesen kann.



Zu eng angezogene Nasen-und Sperrriemen können negative Auswirkungen haben und stehen daher zunehmend in der Kritik. Sie werden mit verstärkten körperlichen Stressreaktionen und Verletzungen im Maulbereich in Verbindung gebracht. Sie behindern das Schlucken, Kauen und Lecken und üben starken Druck auf empfindliche Stellen wie Haut, Nerven und Knochen am Pferdekopf aus.

Bei Pferden mit zu engem Nasenriemen wurde zudem eine erhöhte Herzfrequenz sowie eine gestiegene Augentemperatur festgestellt.

Angst- und Abwehrreaktionen der Pferde können durch zu enge Nasen- und Sperrriemen verdeckt werden, was Trainingsmethoden verschleiert, die nicht dem Wohl der Pferde entsprechen.


Laut einer Studie (ISES) sind auf internationalen Turnieren, vor allem in der Vielseitigkeit und Dressur, nur rund 7% der Nasenriemen locker genug verschnallt um dem Pferd nicht zu schaden, rund 44% der Reithalfter waren viel zu eng verschnallt, sodass nicht einmal mehr ein Messgerät darunter passte.


Wann ist ein Nasenriemen zu eng verschnallt?

International gibt es unterschiedliche Vorschriften. In Ländern wie Neuseeland, Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden und Schweden muss zwischen Nasenriemen und Pferdenase ein Abstand von mindestens 1,5 cm bis 2 cm oder ein bis zwei Fingerbreiten bestehen. In Deutschland wird die "Zwei-Finger-Regel" meist als Empfehlung angesehen.

Es existieren verschiedene Messmodelle, die zur Beurteilung herangezogen werden können. Dennoch wird oft zu subjektiv und ohne Messung entschieden, ob ein Nasenriemen korrekt angelegt ist.

Die seltenen Strafen für Reiter, die den Nasenriemen zu eng verschnallen, deuten darauf hin, dass es an ausreichenden Kontrollen mangelt.

Wann ist ein Sperrriemen zu eng verschnallt?

Auch hier wird die "Zwei-Finger-Regel" empfohlen. Die heutige Relevanz des Sperrriemens ist umstritten. Selbst wenn zwei Finger zwischen Pferdenase und Sperrriemen passen, kann das Pferd beim Kauen und Maulöffnen stark eingeschränkt sein.


Als Reiter und Reiterinnen tragen wir die Verantwortung für unser Reitpferd, unabhängig davon, ob es uns gehört oder nicht. Es ist wichtig, dass jeder sein Equipment kennt und die Signale des Pferdes beachtet. Dies gilt sowohl für den Turniersport als auch für den Freizeitreiter.

Ein Umdenken ist notwendig, nicht nur unter Reitern, sondern auch bei Richtern, Reitlehrern, Ausbildern und Trainern. Einheitliche Überprüfungen und Sanktionen bei Regelverstößen und Aufklärung wären ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung.

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